– ein aktueller Beitrag zu den kommunikativen Austauschprozessen in der Quan Dao Kampf- und Bewegungskunst - von Dr. Michael Schmidt
Der Zeitgeist wohnt im Gefühl, also einer emotionalen kollektiven Wahrnehmung von Strömungen in der gesellschaftlichen und globalen Entwicklung. Und nichts außer den gegenwärtigen Kriegsszenarien und der lauernden Klimakatastrophe beeinflusst den Zeitgeist so sehr wie die Entwicklung der AI.
Geschwindigkeit, Datenkomplexität und die Entwicklung der Speicherkapazität bis hin zum Quantencomputer verändern den Umgang mit menschlichem Wissen und menschlichen Handlungskompetenzen in bisher nie angenommenem Ausmaß. Die Diskussionen sind im vollen Gange, was dies für Konsequenzen hat in der Entfaltung menschlicher Gesellschaften, sowohl auf psychosozialer Ebene, wie auch auf ökonomischer Ebene des globalen Marktes. Die Protagonisten der Open-AI wähnen sich in einem neuen digitalen Universum von Möglichkeiten, während die sozialen und arbeitsökonomischen Konsequenzen in ihren Reflexionen hinter dem konkurrenten Streben um die Vorherrschaft auf der digitalen Machtbühne zurückbleiben. Das bleibt den politischen Regulationsfähigkeiten überlassen. Und auf der gesellschaftspolitischen Ebene tobt sich gerade eine Krise der politischen Steuerungskräfte aus und es scheint als würde der Rechtspopulismus subtil die demokratischen Meinungsbildungsprozesse unterlaufen, bzw. in den noch demokratisch geführten Nationen zu erheblichen Irritationen im Sicherheitsgefühl gegenüber der politischen Steuerung führen. Polarisierung im Diskurs und Spaltung als politische Handlungsstrategie sind in Mode, was auch in unserer deutschen Parteiendiplomatie zu bemerken ist.
Der amerikanische Einfluss ist polarisierend und wirkt sich stark auf die europäische Politik aus. Vor allem ist eine Entwicklung in der Sprache zu verzeichnen, die sich sowohl bagatellisierend, wie auch verschleiernd in Bezug auf die gezielten populistischen machtpolitischen Aktionen auswirkt. Mein Thema hier ist jedoch nicht die Gesellschaftsanalyse, sondern die Wirkung von Begriffen und Bildern, die sich auf gesellschaftlicher Ebene und damit auch in unseren alltäglichen Sprachgebrauch hinein bemerkbar macht.
Das „Unwort“, das durch die beiden Legislaturperioden von Donald Trump die Runde macht, ist der DEAL. Dieser Sprachgebrauch ist so mächtig geworden, dass Begriffe wie Vertrag oder Abkommen nur noch eine nachgeordnete Rolle zu spielen scheinen. DEAL ist medienwirksam, erzeugt ein Bild von Einfachheit, wirkt profaner, hat etwas vom Kuhhandel, mehr als vom „ehrbaren Kaufmann“. Wie man sich „übers Ohr haut“ klingt da mehr an, Druck und Erpressung wirken da nahe beieinander. Und dann werden plötzlich aus angestammten Freunden fast wieder Feinde oder moralisch gegensätzliche Player. Bis hin zum Kriminellen reicht der Machtdurst der oligarchischen Phantasien. Schon im alten Griechenland tobte der Kampf zwischen Demokratie und den oligarchischen Vorstellungen der Spartaner. Wiederholt sich Geschichte? Wird 1933 zur Blaupause populistischer Ablösung von Demokratie? Verwirrung auf allen Ebenen oder gezielte Induktion von Ängsten und Verwirrung zur Indoktrination von Massen und deren Topoi der Angst?
Ja und dann kommt Chat-Gpt, also Open-AI ins Spiel, die schon fast lindernd in dem Zeitgeist von Wandel und Verwirrung, mit als sicher und verlässlich erscheinenden Deutungsmustern über die Wirklichkeit und der Steuerung, aufzuwarten scheint. Da erscheint dann auch in einem DEAL die Illusion von Klarheit - klare Forderungen, klare Verhältnisse, jeder zuerst, dann der andere. Und in dieser Donald Trump und Wladimir Putin - Welt, wo Xi Jinping und Narendra Modi sich die Hände reiben und darauf warten, dass die Machtverhältnisse endgültig und endlich kippen – in dieser Welt wird der DEAL zur Methode. Im DEAL gibt es keine Demokratie, nur Agenten des Machtprofits. Wo ist da der DIALOG und der Austausch im guten Geist friedvoller Koexistenz?
Chat GPT 5 meint zur Beziehung von DIALOG und DEAL:
„Deal betont das Ergebnis und …Dialog ist der Prozess…Dialog klingt idealistisch, gegenseitiges Verstehen, vielleicht sogar gemeinsame Werte…Deal klingt pragmatisch, ein Tauschgeschäft.“
Der Gobalkapitalismus, der kaum mehr Institutionen oder Räume hat, sich über globale Werte oder eine globale Wirtschaftspolitik auszutauschen, freut sich über solch digitale Deutungen. Dem Pragmatismus wird das Wort geredet, da man inhaltlich sich vom Werteaustausch und dem visionären Austausch verabschiedet hat. Und darin liegt Kalkül: schneller, kürzer, mehr von allem und weniger arbeiten, weniger denken, weniger Probleme. Unser menschliches Gehirn steigt mit ein. Wie bei mp3 ergänzt es oder reduziert wie von selbst wo es Komplexität nicht mehr aufnehmen kann zum vollständigen Erlebnis.
So ist es möglich, dass die digital zunehmend perfekt präsentierte Oberfläche ohne eine Tiefe auskommen kann, die im Grunde nur im Innenraum des menschlichen neuropsychischen Bewusstseins und menschlichen Resonanzraum existieren kann. „Opium fürs Volk“ nannte Karl Marx die Strategien der Bewusstseinsindustrie, die damals den Religionen vorbehalten war, um die kapitalistischen Ausbeutungsintentionen zu verschleiern.
Der Deal soll das Ergebnis von Dialog sein und der die Methode? Hier zeigt sich mit dieser eingängigen fast schon profanen Definition von Chat-GPT-5 wie das Dialogische, das genuin Menschliche im Austausch mit pragmatischen Lösungsstrategien des Handels verwechselt wird. Dialog ist eine in die Tiefe reichende menschliche Begegnung (Martin Buber bleibt hier der Lehrmeister des dialogischen Prozesses ) in der sich beide Positionen verändern und nur „gewinnen“, wenn das Ganze davon profitiert. Die Methode des Dialogs ist die Hingabe. Die Hingabe öffnet neue Möglichkeiten der Selbst- und Fremdwahrnehmung und gewinnt durch das Loslassen und durch Akzeptanz und nicht durch „Überzeugung“. Das Zeuge-Sein eines sprechenden und hören Austausches über die eigene und die anderen möglichen Positionen ist ausreichend. Es ist diese fast schon neutrale mitschwingende Ebene der Resonanz: dass der/die andere mich wahrnehmen kann und ich wahrnehmen kann, dass ich wahrgenommen werde. Ich werde in der Wahrhaftigkeit eines solchen Austauschprozesses berührt und bewegt. Das ist die Kunst der Dialogarbeit.
Was bedeutet dies für die Entwicklung der Kampfkünste im heutigen Zeitgeist? Schon heute sehen wir – wesentlich durch den Krieg in der Ukraine – wie Drohnen, also ferngesteuerte Flugmaschinen zunehmend kriegsentscheidende Bedeutung bekommen. Die schweren Waffen der Bodentruppen digitalisieren und automatisieren sich in einem bisher nie gekannten Ausmaß. Maschinen werden den Kampf „Mann/Frau gegen Mann/Frau" übernehmen, vielleicht auch die Steuerung des Ganzen.
Was bedeutet dies für den Zweikampf? Für die Kunst der Dialogarbeit in der Kampfkunst? Für die Begegnung in der Technik, in der Energie und in der Haltung? Ich denke nicht, dass die Kriegsstrategien den Kampfsport oder die Kampfkünste ersetzen. Vielmehr verändern sich die Szenarien bis hin zu den e-Sports, der digitalen Bühne, oder der Gladiatoren-Kampfhähne der Cage Fighting Communitys. Doch diese sind zunehmend bewusste und unbewusste Anleitung zur Kriegstüchtigkeit ohne in die Tiefe zu fühlen und zu denken. Mediales und digitales Showbusiness einerseits und Ertüchtigung für die Militarisierung faschistischer Horden der Oligarchen, die das freiheitliche Denken und den dialogischen Austausch unterdrücken und beherrschen sollen, andererseits. Diese Prozesse verlaufen wie Ninja-Strategien im Untergrund, unbemerkt von der medialen Oberfläche. Trumps Einsatz der Nationalgarde und der Aufbau einer besonderen Sicherheitsgarde zeigen, wie schnell es gehen kann.
Für die Kampfkunst bedeutet dieser Zeitgeist aus meiner Sicht des Quan Dao, dass unsere Aufgabe jetzt mehr denn je ist, Menschen in der Dialogarbeit zu schulen. Dass wir lernen, aufeinander aufzupassen und uns gegenseitig zu empowern. In der nicht verführbaren Kraft der Stille zu ruhen und dabei beweglich zu sein.