Michael Schmidt: Das Herz und das Fremde - zum HerzKreis Trainer*innen Treffen 2018

Beim Hineinspüren in den Zeitgeist und aus meiner Tätigkeit als psychosomatischer Arzt, der ständig mit dem Hintergrundrauschen des Kollektiven, Systemischen und Globalen in den individuellen Geschichten meiner Patienten lebt, erscheint das Herz als integrativer Ort, der alle Unterschiedlichkeit in Licht und Liebe anschauen kann.

Die politischen und sozialpolitischen Auseinandersetzungen der letzten Jahre um das Flüchtlingsthema bestimmen unsere innenpolitischen Debatten. Die Flüchtlingsbewegung bringt neben der Aktivierung von Grundbedürfnissen nach Zugehörigkeit und Sicherheit und Geborgenheit die Auseinandersetzung mit unserer leitenden Kultur und unseren zivilisatorischen Werten in weiteren Gang. Wir müssen dabei einen aufkommenden Ethnozentrismus, Nationalismus und ausländerfeindliche Intoleranz und ein Gemisch von Bewusstseinsformen der Rückbesinnung auf traditionell-konservative Werte bemerken.

  • AfD Wähler

  • Zunehmend oligarchisch agierende Staatsoberhäupter

  • Entkopplung demokratisch-politischer Steuerung von der Basis

  • Polarisierend – spaltende Handlungsstrategien werden zur politischen Rationalität

  • Internetconnectivity der Sozialen Medien bewirkt eine auf das Enge, Nahe und Bekannte sich ausrichtende Gegenbewegung

Auf der psychischen Ebene ist die die Suche nach Sicherheit und Geborgenheit mit der Konstruktion von kultureller Identität verbunden, die sich von dem Fremden, Andersartigen abgrenzen will. Entwicklungspsychologisch besteht die Ich-Entwicklung aus einem in sich aufbauenden Komplex von Identifikationen mit dem Körper, den Eltern, der Familie, Kindergartengruppe, Schule, Peer-Group, mit dem eigenen Geschlecht und seinen sozialen Rollendefinitionen bis hin in die berufliche Identifikation. Die damit verbundenen kognitiven Konstruktionen dienen innerhalb der moralischen Entwicklung (Kohlberg) und der Verinnerlichung eines Wertsystems dem Aufbau von kultureller Identität. Der Impuls zur Identifikation kommt aus dem Grundbedürfnis nach Geborgenheit und Sicherheit und der Liebe im menschlichen Resonanzfeld.

Joseph McGrath unterscheidet sozialpsychologisch drei große Phasen der individuellen Entwicklung im gesellschaftlichen Kontext:

  • Enkulturation

  • Subkulturation

  • Transkulturation: Hinauswachsen aus Rollenidentifikationen und Teilpersönlichkeiten

Denn wir haben eine transkulturelle Entwicklung hinter uns, stammen aus Afrika, Mesopotamien, aus der Zhou – Dynastie oder der Homo Sapiens Linie…wie auch immer, das kann unser Genpool heute eindeutig zeigen. Unsere DNA Intelligenz lebt von Diversivität und Vielfalt und nicht von Inzucht. (Verlust biologischer Diversivität)

Diversivität und Unterschiedlichkeit werden in dem Gedanken des Fremden leicht negativ und fordern zusammenziehende Einheitsgedanken, die nicht das Ganze sondern das Besondere kreieren und nationale, persönliche, ökonomische oder auch emotionale Konzeptbildungen auf zur Furcht vor dem Unterschiedlichen und zum Kampf gegen das Gegensätzlich aufrufen.(„die Achse des Bösen“, George Bush)

Entwickelte Kultur lebt nicht von Begrenzung, sondern von Weite. Das Fremde ist aus der Sicht der Herzintelligenz nur Unbekanntes, das noch nicht integriert ist, d.h. hindurchgewachsen ist. Wird das Unbekannte nun befürchtet statt integriert, dann  wird es zu etwas Fremden und dadurch negativ besetzt.

Und auf der neurobiologischen Ebene kommt die Negativitätstendenz unseres Gehirnes zum Zuge, das uns mit emotionalen Basisprogrammen von Angst und Aggression versorgt. Die Herzintelligenz ist ganzheitlich integrierend mitfühlend, vergebend, transparent und schützend zugleich. Sie eröffnet einen weiteren Horizont und ist letztlich der Ur – im – puls für die menschliche Hinbewegung auf den Anderen. Unsere Herzintelligenz basierend auf Mitgefühl und Empathie kann niemand ausschließen oder wird durch Bewertungen der Angst abgelenkt. Die Selbstwirksamkeit im HerzKreis besteht in dem gefühlten Ankern in einer inneren und damit sich in der Resonanz mit der Welt veräußernden Wertewelt, die auf Weite, Offenheit, Demut, Mut, Freiheit, Vergebung, Stille, Geduld, Vertrauen, Lebendigkeit, Kraft und Freude basiert. Mit dieser Wertebasis begegnen wir dem Fremden wie einem potentiellen Freund (Dalai Lama)