Der HerzKreis - Ein ganzheitlicher Ansatz in der Psychokardiologie - Die Organsprache des Herzens

Geschrieben für den Reader des Weltkongress Ganzheitsmedizin 2018 , von Dr. med. Michael D.F. Schmidt

Die Organsprache des Herzens

Wenn es in unserem menschlichen Körper ein Organ gibt, das diese Ganzheit und dieses Einheitserleben verkörpert, so ist dies das Herz. Das Herz ist sicherlich das Organ, das in unserer Kommunikation am häufigsten benannt wird und dessen seelische und geistige Bedeutung, die aller anderen Organe übertrifft. In der taoistischen Tradition des Qi Gung gilt als Übungsregel: Übe mit Vorstellungskraft und Herz: ohne Herz ist die Übung nicht lebendig, sie schwingt nicht. Und in unserer Sprache spiegelt sich diese Schwingungsfähigkeit des Herzens auf verschiedenen Ebenen wieder.

Wenn etwas von ganzem Herzen getan wird, dann ist es rundum stimmig; wird es halbherzig getan, dann bleiben Widersprüche, Reste, Ungereimtheiten und wird etwas herzlos getan, dann verliert es seinen Wert, bleibt ein unbeseeltes Ding. Ist das Herz an unserem Handeln beteiligt, so haucht es dem Kontakt zu anderen Menschen Leben ein, eine Art humane Essenz.

 Über allem ist das Herz das Symbol für die Liebe, den Kontakt, die Verschmelzung und die Resonanz. Offenheit, Güte und Mitgefühl. Das Herz selbst ist das universelle Symbol der Liebe. Wer ein Herz als Botschaft malt, der weiß um seine Liebe, seine Zuneigung, sein Mitgefühl. Wenn zwei Namen in einem Herz stehen, dann sind sie vereint in Liebe, Sie sind eins, sie haben sich ins Herz geschlossen, sind ein Herz und eine Seele. An erster Stelle wird das Herz mit der Liebe identifiziert, das Herzsymbol begleitet uns im Alltag, es findet sich unter den drei häufigsten Emojis, auf allen Marktplätzen dieser Welt…wir wollen es gerne schenken.

Das Herz gilt als Körperinsel der Wahrheit, die Hand auf dem Herzen bezeugt die Verbundenheit mit unserer ursprünglichen Integrität. Unsere Herzenergie ist gerade in der post-truth – world, in der jede Information Wahrheitsgehalt beansprucht oder durch die Internetwelt Follower generiert ohne, dass eine aufgeklärte Nachprüfbarkeit besteht.[1]

Byung Chul HAN, der sich philosophisch und sozialkritisch mit der gegenwärtigen Transparenzgesellschaft durch Internet und soziale Medien auseinandersetzt, schreibt zur Dynamik des Wahrheitsverlustes:

„Mehr Information oder eine Kumulation von Information stellt noch keine Wahrheit her. Ihr fehlt sie Richtung, nämlich der Sinn. Gerade aufgrund der fehlenden Negativität des Wahren kommt es zur Wucherung und Vermassung des Positiven.  Die Hyperinformation und Hyperkommunikation zeugen gerade vom Mangel an Wahrheit, ja vom Mangel an Sinn. Mehr Information, mehr Kommunikation beseitigt nicht die grundsätzliche Unschärfe des Ganzen. Sie verschärft sie vielmehr.“ (17)[2]

Die Nicht – Akzeptanz von Negativität und Fixierung auf die positive Oberfläche (Sur-face) auf der gesellschaftlichen, kulturellen und persönlichen Ebene der Beziehungen führt zwangsläufig beim Einzelnen zu einer emotionalen Stressreaktion. Der Anpassungsdruck und die hohen Erwartungen an das eigene Selbst steigen und eigene Zweifel, Selbstwertthemen und Verlustängste werden abgewehrt. Was hat das mit dem Herz zu tun?

Die Quelle des Mutes (Courage) liegt in unserer intuitiven tiefen Selbst – Sicherheit den Willen unserer weitreichendsten Werteorientierung in der Welt vertreten zu können. Mut reicht über unser Ego – Konstruktion hinaus bis über den körperlichen Tod. Nur das Herz kann den Schmerz nehmen, den die Leidenschaft mit sich bringt. Und nur wenn wir uns etwas ganz zu Herzen nehmen und spüren, fühlen, zulassen und annehmen werden wir ganz, indem wir ganz betroffen sein dürfen.


[1] Wilber, Ken Trump and the post truth world. 2017: Wilber geht hier auf die aktuelle Phänomenologie des Bewustseinswandels und den Verlust universeller Wahrheitskonzepte durch die Postmoderne ein und das Phänomen Trump und sein Begriff auf der Bewusstseinsebenen Skala von Wilber D1-D6

[2] Han Byung Chul, Transparenzgesellschaft, 2016